Springe direkt zu Inhalt

Expertenworkshop in Berlin, 17. - 18.09.2018

17. - 18.09.2018

17. - 18.09.2018

-

-

-

-

Im Rahmen des Projekts DESKIRS veranstalteten die FU Berlin, das DKKV und die Universität Bielefeld am 17. und 18. September 2018 einen Workshop in Berlin.

Der stark auf Partizipation ausgerichtete Workshop forderte die Teilnehmenden dazu auf, ein Schutzziel für die Sektoren Gesundheit und Ernährung exemplarische festzulegen. Die im Fokus stehenden Gruppenarbeitsphasen wurden durch inhaltliche Vorträge ergänzt.

32 Expert_innen aus den Bereichen Gesundheit und Ernährung nahmen an der Veranstaltung teil. Darunter waren Vertreter_innen aus Behörden, Wissenschaft, Recht, Politik und Wirtschaft. Sie diskutierten über die Frage, wie ein hypothetisches Schutzziel, das von den Teilnehmenden kooperativ festgelegt wurde, in der Realität verankert werden könnte. Ein Schutzziel beschreibt den Soll-Zustand eines schützenswerten Gutes, z.B. die menschliche Gesundheit, der auch in einer Krise aufrechterhalten werden soll.

Durch die Kreativmethoden Visioning und Backcasting wurde ein zukünftiges wünschenswertes Schutzziel für das Jahr 2030 jeweils für die KRITIS Gesundheit und Ernährung definiert. In Deutschland gibt es kaum Referenzfälle zu einem Ernährungsnotstand, welches die Schutzzielbestimmung schwierig macht, da das Szenario stets abstrakt bleibt. Die Schutzzielbestimmung ist im Sektor Gesundheit weiter fortgeschritten, da es eine Vielzahl an Referenzfälle gibt (z.B. Schweinegrippe, BSE). Die Teilnehmenden einigten sich in den beiden Bereichen auf hypothetische Schutzziele, die die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln und Impfstoffen bzw. mit Lebensmitteln für einen bestimmten Zeitraum sicherstellen sollen. Ausgehend von der zukünftigen Zielsituation wurde über unterschiedliche Handlungsoptionen und benötigte Meilensteine diskutiert. Die betroffenen Akteure, insbesondere die Betreiber Kritischer Infrastrukturen sowie die zuständigen Behörden, beratschlagten gemeinsam u. a. über politische und ökonomische Faktoren, die den Aushandlungsprozess eines Schutzziels maßgeblich beeinflussen und ihn ggf. vereinfachen können.

Die im Workshop festgelegten Schutzziele bezogen sich auf die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln und Impfstoffen bzw. mit Lebensmitteln für einen bestimmten Zeitraum. Ihre Aushandlung wurde durch zahlreiche unterschiedliche Anforderungen und Bedürfnisse der Teilnehmenden gestaltet. Erste Ergebnisse des Workshops zeigen, dass die Aushandlung von Schutzzielen ein komplexer Prozess ist, der viele Akteure mit unterschiedlichen Vorstellungen und Rollen zu unterschiedlichen Zeitpunkten involviert. Um aus so einer vielschichtigen Debatte mit einem klaren Schutzziel hervorzugehen, werden nachvollziehbare, zu erfüllende Festlegungskriterien benötigt. Das Forschungsprojekt DESKRIS wird die im Workshop ausgehandelten Schutzziele daher als Referenzfälle nutzen und die verschiedenen Argumente der Teilnehmenden auf ihre grundsätzlichen Eigenschaften reduzieren, die – im Idealfall – auf Aushandlungsprozesse von Schutzzielen in anderen Kritischen Infrastrukturen übertragen werden können.

Der Wirtschaft kommt bei der Festlegung von Schutzzielen eine wichtige Rolle zu, da nur sie als Betreiber Kritischer Infrastrukturen über das benötigte Wissen sowie einen direkten Zugang zu den Anlagen verfügen. Die Vereinbarung eines Schutzziels – bestenfalls mit der Hinterlegung eines Schwellenwerts – wurde von den wirtschaftlichen Akteuren eher kritisch gesehen, da mögliche Beschränkungen der unternehmerischen Freiheit sowie Umsetzungskosten befürchtet wurden. Daher sollten diese Aspekte zu Beginn des Aushandlungsprozesses thematisiert werden, um die Chance auf eine aktive Beteiligung der betroffenen Unternehmen zu erhöhen. Gesetzlichen Verpflichtungen wurde in diesem Zusammenhang ein hoher Stellenwert beigemessen, da eine freiwillige Teilnahme wirtschaftlicher Akteure als unwahrscheinlich eingeschätzt wurde. Für eine effektive Einbeziehung sollten neben Verpflichtungen jedoch auch Anreize für Unternehmen etabliert werden. Eine Möglichkeit wäre die Herausstellung des Mehrwerts von Schutzzielen, die beispielsweise in Marketingkampagnen zur Imagesteigerung genutzt werden könnten.

Des Weiteren wurden Hürden in der Etablierung eines Schutzziels teilweise mit den Hürden in der Umsetzung von Maßnahmen gleichgesetzt. Eine klare Trennung dieser Punkte war nicht immer möglich. Eine Gleichsetzung dieser Aspekte kann jedoch dazu führen, dass erwartete sachbezogene Probleme (z. B. rechtliche Schwierigkeiten beim Aufbau einer Datenbank, die aktuelle Lagerbestände des Lebensmitteleinzelhandels beinhaltet), die erst nach der Festlegung eines Schutzziels konkretisiert und in Angriff genommen werden sollten, die Schutzzielbestimmung von vornherein beeinträchtigen.

Die Ergebnisse des Workshops werden in den kommenden Wochen aufbereitet und mittels einer Online-Umfrage im November durch weitere Expert_innen aus den KRITIS Gesundheit und Ernährung bewertet. Die gebündelten Erkenntnisse aus dem Workshop und der Umfrage sollen im Frühjahr 2019 in eine politische Diskussionsrunde mit Bundestags-, Landtags- und Kreistagsabgeordneten eingebracht werden. Daraus sollen Handlungsempfehlungen für die Politik abgeleitet werden.

Der Workshop bot den teilnehmenden Experten die einzigartige Möglichkeit, an der politischen Strategie zur Definition von Schutzzielen mitzuwirken.